Ein gutes Händchen
Ein Bericht über PD Dr. Maximilian Kückelhaus in dem Magazin "Zwölf Monate, zwölf Menschen" der Universität Münster von Kathrin Kottke
Eine Karriere auf der Überholspur, wissenschaftliche Innovationen und medizinische Erfolge: Für Privatdozent Dr. Maximilian Kückelhaus war das Jahr 2022 ein ganz besonderes. Im Juli führte er als erster Chirurg weltweit einen vollständig robotergestützten mikrochirurgischen Eingriff an einem lebenden Menschen durch. Kathrin Kottke sprach mit ihm über seine Arbeit als Arzt und darüber, welche Rolle die Forschung für ihn spielt – so viel sei vorweggenommen: eine entscheidende.
Wer einen Blick in den Operationssaal von Maximilian Kückelhaus wirft, glaubt, in einer anderen Welt zu sein: Mit 3D-Brille sitzt der Operateur auf einem Stuhl, etwa einen Meter entfernt vom narkotisierten Patienten, und bewegt seine Hände in der Luft – ähnlich wie ein Dirigent. Maximilian Kückelhaus agiert langsam und vorsichtig. Denn seine Impulse werden auf kleinste Instrumente übertragen, die im Körper eines Menschen genau das machen, was der Mediziner ihnen vorgibt. Was hier zu sehen ist, gehört zu den innovativsten Operationstechniken in der Mikrochirurgie. Ein Erfolg, der auf jahrelange Vorbereitung, Teamarbeit und Fachkenntnisse zurückzuführen ist.
Dass er nun beinahe täglich im OP steht, hätte Maximilian Kückelhaus während seiner Schulzeit nicht gedacht – obwohl er frühzeitig Kontakt zur Welt der Medizin hatte: Sein Vater war Arzt, seine Mutter arbeitete als Krankenschwester. „Nach dem Abi wollte ich Wirtschaftswissenschaften studieren, habe mich aber nach einem Praktikum im Krankenhaus doch für ein Studium der Humanmedizin entschieden“, erklärt er. Inzwischen ist er nicht nur Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie geschäftsführender Oberarzt, sondern auch Wissenschaftler und Dozent am Institut für Muskuloskelettale Medizin der Universität Münster. „Die Medizin hat mich zwar schon im Studium interessiert, die Leidenschaft und die Begeisterung für diesen Bereich packte mich aber erst, als ich Berührungen zur Forschung hatte“, berichtet der gebürtige Wuppertaler.
In seiner Promotionszeit in Bochum lernte er seinen Doktorvater Prof Dr. Tobias Hirsch kennen. Maximilian Kückelhaus war von dessen Arbeit im Bereich der plastischen Chirurgie fasziniert. Nach erfolgreichem Abschluss erhielt er 2013 eine Postdoc-Stelle an der Harvard Medical School in Boston. „Die Zeit in Amerika war für mich in zweierlei Hinsicht sehr bedeutend. In der medizinischen Forschung lernte ich ein neues akademisches System kennen, das mich bis heute prägt – vor allem die offene, positive und kooperative Einstellung der Amerikaner motiviert mich und meine Forschung. Zudem, was nicht weniger wichtig ist, lernte ich meine Frau kennen“, erzählt Maximilian Kückelhaus.
Einen der wohl größten Erfolge seiner bis dahin jungen Karriere erzielte er während seiner Arbeit als Assistenzarzt am Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum, für die er 2015 aus Amerika zurückgekommen war. „Mit Kolleginnen und Kollegen aus Italien und Deutschland haben wir einen schwerkranken Jungen, der an der sogenannten Schmetterlingskrankheit litt, erfolgreich behandelt“, erzählt er. Diese Hautkrankheit basiert auf Gendefekten und verläuft aufgrund fehlender Heilungsmöglichkeiten oft tödlich. Mithilfe einer sehr aufwändigen Gen- und Stammzellentherapie überlebte der Junge und führt inzwischen ein normales Leben.
Jahrelange Forschung und mehrere Operationen waren dazu notwendig, um die Epidermis, also die Oberhaut, des Jungen zu rekonstruieren. „Es war ein sehr risikoreiches Verfahren, das noch nie zuvor in diesem Ausmaß durchgeführt worden war“, berichtet Maximilian Kückelhaus. Der heute 14-Jährige ist der weltweit einzige Mensch, der dauerhaft mit einem nahezu vollständig durch genmanipulierte Zellen ersetzten Organ lebt. Die Medienresonanz war immens. „Ich bin zu der Zeit um die Welt gereist und habe auf Fachkongressen sowie in TV- und Radiointerviews berichten dürfen – und das als Assistenzarzt. Das war einerseits verrückt, andererseits hat es mir gezeigt, wie erfolgreich es verlaufen kann, wenn Forschung und Klinik Hand in Hand gehen.“
Anfang 2018 wechselte er gemeinsam mit Tobias Hirsch von Bochum nach Münster und arbeitet seitdem in einer komplexen Dreierkonstellation: als Arzt in der Handorfer Fachklinik Hornheide und am Universitätsklinikum Münster sowie als Wissenschaftler und Dozent an der Universität. „Ich habe mich schon länger für innovative Transplantationsverfahren in der plastischen Chirurgie interessiert und in Münster habe ich viele Freiräume, meine Forschung voranzutreiben“, erläutert er. 2020 schloss er sowohl seine Facharztausbildung für Plastische und Ästhetische Chirurgie als auch seine Habilitation und sein Masterstudium in Medizinmanagement ab.
Eine bedeutende Rolle für Maximilian Kückelhaus nimmt der Transfer seiner Forschungserkenntnisse in klinisch anwendbares Wissen ein. Im Fokus stehen die Rekonstruktion, die Regeneration und die Transplantation von komplexen Geweben. Es sind die kleinsten Strukturen und die winzigen Verästelungen des menschlichen Gewebes, die Maximilian Kückelhaus beschäftigen und ihn stetig antreiben, Prozesse und Verfahren zu optimieren. So war es für seine Forschung von großer Bedeutung, dass die EU 2022 einen Operationsroboter und ein robotisches Mikroskop finanzierte: „Durch die Kombination beider Instrumente konnten wir die Grenzen des bis dahin Möglichen überschreiten. Das heißt, wir können beispielsweise Blutgefäße, Nerven oder Lymphbahnen mit einem Durchmesser von nur 0,3 Millimetern miteinander verbinden – mit der bloßen Hand wäre das nicht möglich“, betont der Mikrochirurg. Zudem könnten mit dieser Technik perspektivisch digitalgesteuerte Operationen über Ländergrenzen hinweg durchgeführt und Fachexperten aus der ganzen Welt gezielt eingesetzt werden – in sogenannten Remote-Operationen.
Auch wenn das heute noch nicht möglich ist, sind die ersten Ergebnisse beeindruckend: Für eine konventionelle Brustrekonstruktion mit Eigengewebe vom Bauch muss der Operateur zunächst durch mehrere Haut-, Knochen- und Muskelschichten schneiden, um an die Gefäße zu gelangen, an denen er das Gewebe anschließt. „Das sind massive Eingriffe für die Patientinnen“, erklärt der 37-Jährige. „Mit dem Roboter richte ich viel weniger Schaden an und kann das Bauchgewebe beispielsweise an ein winziges Gefäß anschließen, das direkt unter der Haut liegt.“ Die Pionierarbeit von Maximilian Kückelhaus sorgt für großes Aufsehen im In- und Ausland und wird als Quantensprung für die Mikrochirurgie bezeichnet.
Als Kontrast zu dem „Mikrokosmos“, in dem er sich als Chirurg und Wissenschaftler täglich bewegt, ist es der „Makrokosmos“, der ihn nachts in Atem hält. Als Hobby-Astro-fotograf ist er darauf aus, Sterne, Planeten, Nebel und andere Himmelskörper einzufangen – egal ob von seiner Dachterrasse im münsterschen Kreuzviertel aus oder in der Wüste Kaliforniens, durch die er 2022 mit seiner Frau reiste. „Je nachdem, wie weit ich in die Vergangenheit fotografiere, muss ich Belichtungszeiten von bis zu einer Woche einstellen“, betont er. Eine Begeisterung für filigrane Technik – egal ob im OP oder bei der Fotografie – ist dafür Voraussetzung. „Die lange Vorbereitung und die richtige Installation des Teleskops und der Kamera sind für mich eine Art meditativer Ausgleich zum stressigen Alltag.“
Eine Leidenschaft, die Geduld, Präzision und Kreativität erfordert – wie in seinem Beruf. „Das Streben nach Perfektion und Kreativität sollten ausgeprägte Charaktereigenschaften eines plastischen Chirurgen und eines Wissenschaftlers sein. Wenn man nicht die Kreativität hat, neue Gedankengänge zu entwickeln, wird man nur schwer etwas Innovatives erreichen können.“ Dass Maximilian Kückelhaus diese Charaktereigenschaften mitbringt, stellt er täglich in seinem Beruf als Arzt und Wissenschaftler wie auch in der Nacht als Astrofotograf unter Beweis.
Forschungsinnovation in der Mikrochirurgie
Ein Team um Maximilian Kückelhaus hat eine innovative Operationsmethode entwickelt, bei der ein neuartiger und speziell für die Mikrochirurgie konzipierter Operationsroboter mit einem robotischen Mikroskop vernetzt wird. Dieses Verfahren ermöglicht eine vollständige Entkopplung des Operateurs vom Operationsfeld – eine Revolution im Bereich der Mikrochirurgie.
Während der Operation nimmt der Roboter, das sogenannte Symani Surgical System, die menschlichen Bewegungen der Hände über ein elektromagnetisches Feld und Joysticks auf. Die Bewegungen des Operateurs führt der Roboter mit einer bis zu 20-fachen Verkleinerung über winzige Instrumente aus. Mit dem Operationsroboter ist ein robotisches Mikroskop der Firma BHS Technologies verbunden, das das Operationsfeld über ein „3D Augmented Reality Headset“ mit zwei hochauflösenden Monitoren darstellt. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes binokulares Headset, das in der Lage ist, die reale Welt mit virtuellen Informationen zu kombinieren. So werden die Kopfbewegungen des Chirurgen erfasst und auf den Roboter übertragen, sodass auch komplizierte Blickwinkel auf den zu operierenden Bereich möglich sind. Zusätzlich kann der Operateur über Kopfgesten verschiedene Menüs ansteuern und Funktionen des Roboters ausführen, ohne dabei die Hände zu benutzen.
Mit dem Verfahren können die Mikrochirurgen feinste anatomische Strukturen miteinander verbinden – beispielsweise bei Brustrekonstruktionen oder nach Unfällen, bei denen Patienten Gewebetransplantate benötigen. Darüber hinaus schützt diese Operationstechnik den Operateur vor Ermüdung und Rückenbeschwerden.
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